Über das Buch

Die Zerstörung des World Trade Centers und Teile des Pentagons am 11. 09. 2001 durch die Al Kaida und die Reaktion der westlichen Welt darauf, war für viele Menschen ein einschneidendes Ereignis. Mit unfassbarem Staunen konnte man beobachten, wie ein islamistischer Fundamentalist, ein religiöser Fanatiker, der westlichen Welt den Krieg erklärte und ein in seinem öffentlichen Auftreten eher peinlich wirkender ehemaliger Alkoholabhängiger und nun zum frommen Methodist gewandelter Präsident der Vereinigten Staaten daraufhin zum „Kreuzzug“ gegen den Terror aufrief, also versuchte, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Denn die Kreuzzüge haben enormes Leid über viele Völker gebracht. Dennoch folgte ein Großteil der westlichen Welt mehr oder weniger begeistert G. W. Busch bei diesem Unternehmen. Einzig der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer hatte den Mut sich öffentlich als „nicht überzeugt“ über die Sinnhaftigkeit dieser als „Kreuzzug der Anständigen“ genannten Kriege zu äußern.

Als Psychotherapeut mit über 30 Jahren Berufserfahrung ist es mein Anliegen vor allem die psychologischen Hintergründe fundamentalistisch strukturierter Bewegungen und ihrer Protagonisten zu beleuchten. Ich selbst bin ein politisch interessierter und engagierter Mensch mit jüdischen Wurzeln. Meine Eltern sind Holocaust Überlebende, mein Vater diente in der amerikanischen Armee. Ich stamme quasi aus „altem antifaschistischen Adel“. Dies ist aber kein Antifaschismus-Buch. Auch kein naiv beseeltes „Gutmenschen-Pamphlet“. Vielmehr ist es der Versuch, fundamentalistische Entwicklungen in religiösen, nationalen oder politisch orientierten Gruppierungen differenziert darzustellen. Natürlich habe ich immer wieder auch eigene Erfahrungen zu diesem Thema, als politisch denkender und handelnder Mensch, als direkt Betroffener und als professionell damit befasster Psychotherapeut, einfließen lassen. Insofern ist es in einigen Abschnitten auch sehr persönlich geworden.

Bis auf Rassismus, den ich naturgemäß ablehne, geht es mir in diesem Buch nicht um Glaubensinhalteinhalte, sondern um die Art, wie sie in den verschiedensten Bewegungen vertreten werden. Es macht einen gewissen Unterschied, ob man als überzeugter oder gläubiger Mensch, seinem Gegenüber dessen Glauben oder Meinung lassen kann oder ob man „Ungläubige“, das sind alle, die nicht denselben Glauben haben, wie man selbst, attackiert, erschießt, oder sie gelegentlich in die Luft sprengt. So handeln Fanatiker und für die habe ich kein Verständnis, egal welche Inhalte sie vertreten. Von den Wegen, wie Menschen zu Fanatiker werden, handelt dieses Buch. Eine meiner Thesen lautet: Fanatiker haben häufig psychische Probleme. Vom zentralen Begriff der Identität und den entsprechenden Identitätsstörungen ausgehend, versuche ich die wesentlichen fundamentalistischen Mechanismen und Denkweisen zu beleuchten und fanatisches Handeln zu analysieren. Ich werde mich über die Rolle der monotheistischen Weltreligionen mit ihrem Absolutheitsanspruch bei der Entwicklung fundamentalistischen Denkens ebenso auseinandersetzen, wie mit politischen und nationalen Bewegungen. Und natürlich auch mit den Verführern an der Spitze all der Gruppierungen, die Fanatiker hervorbringen. Es sind dies politische und nationalistische Hetzer und Hassprediger der verschiedensten Glaubensrichtungen. Schlussendlich wird noch einiges über die Rolle der politischen Moralisten zu sagen sein, die oft auch als „Gutmenschen“ denunziert werden.
Ich skizziere einige Lösungsansätze, die sich aus meinen psychotherapeutischen und sozialpolitischen Überlegungen ergeben. Eine Conclusio lautet: Ein gefestigter Mensch mit einer gut integrierten Identität wird meist kein Fanatiker. Und eine gut integrierte Identität grenzt ab, aber sie grenzt nicht aus. Ich zum Beispiel bin Arzt und kein Apotheker, aber ich lasse Apotheker leben und sprenge sie nicht in die Luft.

Copyright Dr. Johann Lauber 2011